Patienten im Fokus
6. Oktober 2017
Zehn Jahre nach der Einführung von All-on-4 setzt Nobel Biocare mit dem Trefoil System neue Meilensteine für die Behandlung zahnloser Unterkiefer mit festsitzendem implantatgetragenem Zahnersatz. Die Besonderheiten des Konzepts und die patientenorientierte Ausrichtung des Unternehmens erläutert Prof. Dr. Stefan Holst, Vice President Implant Systems and Research bei Nobel Biocare, im Gespräch mit dem DENTAL MAGAZIN.
Osseokonduktive Knochenbildung mit TiUnite: Die menschliche Histologie sechs Monate nach Implantatinsertion zeigt die Verankerung des Knochens in den TiUnite-Poren. TiUnite fördert die Osseointegration auch unter schwierigen Bedingungen, z. B. bei weichem Knochen, und ermöglicht Konzepte zur Sofortbelastung.
Nobel Biocare rückt die Sofortimplantation und -versorgung mehr und mehr in den Fokus. Das Protokoll ist nicht einfach. Worauf kommt es an?
HOLST: Die Sofortversorgung dentaler Implantate mit provisorischem Zahnersatz ist nicht neu für Nobel Biocare. Im Gegenteil: Nobel Biocare leistet schon seit vielen Jahren mit entsprechenden Produktentwicklungen, wie mit den Implantatlinien Nobel-Speedy, NobelActive oder NobelParallel CC, Pionierarbeit für diese Art von Behandlungsprotokollen. All unsere modernen Implantatsysteme wurden mit dem Ziel entwickelt, eine adäquate Primärstabilität kombiniert mit schneller und sicherer Osseointegration sowohl in Extraktionsalveolen als auch in weichem Knochen zu erreichen. Diese Konzepte basieren auf sehr guten klinischen Resultaten diverser klinischer Studien mit bis zu zehn Jahren Nachuntersuchungszeit. Der Grund, weshalb wir uns in diesen Bereich vorgewagt haben, war, dem Patientenbedürfnis nach einer kürzeren Behandlungszeit bei Implantatversorgungen zu entsprechen.
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Was ist das Entscheidende?
HOLST: Natürlich muss jeder Fall individuell betrachtet werden, und es müssen gewisse klinische Anforderungen erfüllt sein, um eine Sofortversorgung in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus hängt das Ergebnis nicht allein von den Produkteigenschaften, wie Oberfläche und Makrodesign des Implantats, sondern auch von den Fähigkeiten und dem Erfahrungsniveau des Chirurgen ab. Aus diesem Grund bietet Nobel Biocare eines der umfassendsten Schulungs- und Fortbildungsprogramme unter den Implantatfirmen an. Wir wissen heute, dass die firmeneigene und dokumentierte TiUnite Oberfläche von Nobel Biocare einer der Schlüsselfaktoren für sehr hohe Erfolgsraten ist, da die moderate Rauheit der Oberfläche in Kombination mit den chemischen Eigenschaften dieser einzigartigen Oberfläche eine schnelle Zellansiedelung während der frühen Einheilphase unterstützt.
Es wird zurzeit wieder verstärkt über maschinierte Implantatoberflächen diskutiert. Wie erklären Sie sich das?
HOLST: Die Literatur befürwortet die Wirksamkeit von mäßig/moderat rauen Oberflächen; so viel wissen wir. Zahnimplantate mit TiUnite Oberfläche wurden in mehr als 430 klinischen Veröffentlichungen – mit über 21 000 Patienten und 82 500 Implantaten – evaluiert. Diese Studien zeigen, dass TiUnite – im Vergleich zu maschinierten Implantaten – die Osseointegration sowie die Verankerung im umgebenden Knochen verbessert. Dies ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die vieler Kollegen, Behandler und Wissenschaftler. Leider wird aber immer wieder ein „Bedarf“ an maschinierten Implantaten von Meinungsbildnern mit eigenen kommerziellen Interessen propagiert.
Das Original All-on-4-Behandlungskonzept ist die bewährte und kosteneffiziente Lösung ohne Augmentation. Sie bietet Patienten eine festsitzende Versorgung für den vollständigen Zahnbogen am Tag des Eingriffs. Das Konzept wird vielfach kopiert, den wissenschaftlich dokumentierten Erfolg kann nur Nobel Biocare nachweisen.
Man argumentiert, auch mäßig raue Oberflächen förderten das Periimplantitisrisiko …
HOLST: Dafür gibt es viele gegenteilige Belege. Im Rahmen des letztjährigen industrieunabhängigen Konsensusberichts, der von einem Team von 17 Wissenschaftlern unter der Leitung von Prof. Tomas Albrektsson, Hugo De Bruyn, Markus Schlee und anderen angefertigt wurde, ging es genau darum, die Fakten zum Thema Periimplantitis zu klären. Der Bericht hob ausdrücklich hervor, dass es keine veröffentlichten klinischen Belege dafür gibt, dass moderne, mäßig raue Implantate eine höhere Periimplantitisrate aufweisen als ältere vollmaschinierte oder plasmabesprühte Implantate. Es gibt hingegen immer mehr Belege dafür, dass andere patientenbezogene Faktoren, wie bestimmte Erkrankungen, frühere parodontale Erkrankungen oder Rauchen, ursächlich für periimplantäre Komplikationen sein können.
Zurück zur Sofortversorgung. Wann raten Sie eher davon ab?
HOLST: Die Sofortbelastung kann bei vielen Behandlungsszenarien, von der Versorgung eines Einzelzahns bis hin zur Versorgung eines vollständigen Zahnbogens, in Betracht gezogen werden. Eine angemessene Planung, die ordnungsgemäße Präparation und Positionierung des Implantatbetts sowie eine initiale Primärstabilität sind wichtige Voraussetzungen für die Sofortversorgung. Wenn die gewünschte Stabilität nicht erreicht wird, stellt die verzögerte Belastung selbstverständlich eine ebenso gute und höchst vorhersagbare Alternative dar. Im Molarenbereich ist mit besonders großer Vorsicht vorzugehen, da sich die dort herrschenden Kaukräfte nachteilig auf die frühe Einheilphase auswirken können. Ich bin davon überzeugt, dass die Sofortinsertion und Sofortversorgung von Implantaten in absehbarer Zeit der Standard für einen Großteil der klinischen Indikationen sein wird.
Das All-on-4-Konzept, vor mehr als zehn Jahren entwickelt, ist ein Sofortversorgungskonzept für den komplett zahnlosen Kiefer. Warum setzt es sich in Deutschland so langsam durch? Schrecken die hohen Kosten mit bis zu 25.000 Euro pro Kiefer ab?
HOLST: Die Art und Weise, wie ein Produkt oder eine Lösung aufgenommen wird, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, und die Kosten gehören sicherlich dazu. Es hat sich gezeigt, dass das Original-All-on-4-Behandlungskonzept mit Nobel Biocare Komponenten, das für anspruchsvolle Situationen entwickelt wurde, eine positive Wirkung auf die Lebensqualität von Patienten hat. Es ist als augmentationsfreie Lösung zu verstehen, wodurch nicht nur Behandlungszeit und Materialkosten eingespart werden, sondern eine angenehmere Erfahrung für den Patienten mit geringeren Schmerzen und weniger Besuchen erreicht wird. Diese Vorzüge haben in den USA und in vielen anderen Märkten dazu geführt, dass das All-on-4-Behandlungskonzept dort eine gängige Behandlungsmethode für zahnlose Patienten und Patienten mit nicht erhaltungswürdiger Restbezahnung geworden ist. Viele Patienten haben nicht nur bereits von dem All-on-4-Behandlungskonzept gehört, sie fragen ihren Behandler sogar aktiv danach. Ich bin davon überzeugt, dass sich ein ähnlicher Trend in absehbarer Zeit in Deutschland zeigen wird, wenngleich ich zur Vorsicht rate, wenn es darum geht, dieses Verfahren mit irgendeinem Implantatsystem durchzuführen, da bestimmte Designeigenschaften unerlässlich zum Erreichen langfristiger hoher klinischer Erfolgsraten sind.
Das Trefoil-Konzept, die präfabrizierte, feste Versorgung für den zahnlosen Unterkiefer, präsentierte der Entwickler des Konzepts, Dr. Kenji Higuchi, USA, auf dem Nobel Biocare Global Symposium 2016 in New York.
Noch verlangen die aktuellen Leitlinien sechs Implantate im Oberkiefer. Steht in diesem Punkt ein Umdenken an?
HOLST: Die Zahl der Implantate ist nicht der kritische Punkt, sondern dass sie sofort belastet werden können – sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer. In vielen Fällen sind vier Implantate ausreichend für eine festsitzende Sofortversorgung, und das Einsetzen zusätzlicher Implantate würde zunächst ein Knochenaugmentationsverfahren erfordern. Die Leistungsfähigkeit des Protokolls wurde in einer Vielzahl von klinischen Studien nachgewiesen, vorausgesetzt, der Chirurg verfügt über ausreichend Erfahrung. Wie Sie wissen, hat sich Nobel Biocare mit dem Erfinder des All-on-4-Behandlungskonzepts, Prof. Paulo Malo, vor über 10 Jahren zusammengetan. Viele andere Hersteller bringen heute Lösungen auf den Markt, die dem All-on-4-Konzept ähneln, in der Hoffnung auf den gleichen Erfolg. Aber wir sind schon wieder einen Schritt weiter. Das Original Nobel Biocare Multiunit Abutment war das erste seiner Art, als es im Jahr 2000 auf den Markt kam. Seitdem setzt es den Standard, und es ist eine Reihe ähnlicher Lösungen erhältlich. Aber während andere Existierendes kopieren, fokussieren wir uns auf neue, innovative Lösungen. Die nächste Generation des All-on-4-Behandlungskonzepts ist fokussiert auf die Verbesserung der Workfloweffizienz und Verkürzung der Behandlungszeit, gerade im Hinblick auf den prothetischen Teil des Behandlungsprotokolls.
Sie sprechen vom Multi-unit Abutment Plus?
HOLST: Das Multi-unit Abutment Plus ist ein Beispiel in einer Reihe von Innovationen, die entwickelt wurden, um das All-on-4-Behandlungskonzept weiter zu verbessern. Es reduziert die für die Umarbeitung der Prothese erforderliche Behandlungszeit in der Praxis signifikant – ein übliches Verfahren im Rahmen des All-on-4 Behandlungskonzepts. Dank der Einführung der Snap-Funktion zwischen den Titanzylindern und dem Multi-unit Abutment werden keine Schrauben mehr bei der Einprobe benötigt. Das mehrfache Entfernen der provisorischen Zylinder und der Versorgung während der Umarbeitungsphase kann mit nur wenigen „Snaps“ durchgeführt werden, ohne dass jedes Mal vier Schrauben gelöst bzw. festgezogen werden müssen. Dies stellt eine erhebliche Zeitersparnis für den Behandler und eine Annehmlichkeit für den Patienten dar. Parallel dazu haben unsere Ingenieure das Design optimiert und die Ermüdungsgrenzen der Komponenten erhöht.
Dennoch sind die Kosten hoch. Könnte das Trefoil Konzept die kostengünstige All-on-4-Alternative werden?
HOLST: Ich sehe Trefoil nicht als Alternative zu bestehenden Lösungen, sondern als innovative neue Option für die Versorgung zahnloser Unterkiefer. Es ist eine wichtige Erweiterung des bereits bestehenden, umfassenden Lösungssortiments von Nobel Biocare für die Versorgung zahnloser Unterkiefer. Es ist jedoch richtig, dass Trefoil darauf ausgerichtet ist, eine qualitativ hochwertige festsitzende Lösung erschwinglicher zu machen. Dies ist möglich aufgrund eines vorgefertigten Stegs mit passivem Sitz, der mithilfe eines revolutionären Kompensationsmechanismus Abweichungen bei der Implantatinsertion kompensiert. Die Verankerung auf drei Implantaten und ein kostengünstiger prothetischer Arbeitsablauf ermöglichen eine festsitzende, endgültige Versorgung eines vollständigen Zahnbogens am Tag des Eingriffs.
Also quasi eine 3D-Kompensation?
HOLST: Korrekt. Das vorgefertigte Gerüst enthält adaptive Gelenke, die sich an horizontale, vertikale und Winkelabweichungen von der geplanten Implantatposition anpassen. Der Mechanismus wurde speziell für die Verankerung auf drei Implantaten entwickelt und ermöglicht einen passiven Sitz der endgültigen Versorgung. Ein Patent für diesen bahnbrechenden Mechanismus ist zurzeit eingereicht.
Abb. a: Die On1-Basis dient dem Schutz der Weichgewebsanlagerung und hilft Behandlungszeit zu sparen. Von der Implantatsetzung bis zur finalen Versorgung dient sie als Basis für Abutments. Die biologische Abdichtung durch das Weichgewebe bleibt damit während aller Behandlungsschritte ungestört.
Abb. b: Das Multi-unit Abutment Plus spielt eine zentrale Rolle für das All-on-4-Behandlungskonzept. Die Snap-Fit-Funktion zwischen dem temporären Snap Coping Multiunit Plus und dem Abutment reduziert die für eine Prothesenumwandlung benötigte Zeit, da bei den Einproben keine Schrauben mehr benötigt werden.
Wie steil ist die Lernkurve?
HOLST: So wie bei jedem anderen Zahnimplantatverfahren auch muss das chirurgische Protokoll erlernt werden. Schulung und Fortbildung sind daher ein wichtiger Teil der Trefoil-Markteinführung. Wir arbeiten mit Ausbildern weltweit zusammen, um sicherzustellen, dass es ausreichend Schulungsmöglichkeiten höchster Qualität zur Unterstützung der Einführung dieses neuen Behandlungskonzepts gibt.
Mit neuen Entwicklungen wie zum Beispiel dem On1-Versorgungskonzept bieten Sie Lösungen, die die chirurgischen und prothetischen Arbeitsabläufe miteinander verbinden. Es soll für einfache und sichere Arbeitsabläufe sorgen. Wie genau muss man sich das vorstellen?
HOLST: Die On1-Basis wird zum Zeitpunkt der Implantatinsertion eingesetzt und verbleibt in dieser Position während der gesamten Lebensdauer des Implantats. Dadurch bleibt das Weichgewebe während der Einheilung ungestört, und es resultiert eine stabile Weichgewebsintegration. Einer der wichtigsten Vorteile hinsichtlich der Handhabung ist das „Verschieben“ der prothetischen Verbindung weg vom periimplantären Knochenniveau. Wir werden oft gefragt, warum wir kein Implantat auf Weichgewebsniveau verwenden. Die Antwort ist einfach: Wir glauben fest daran, dass das Einsetzen eines Implantats einzig und allein durch den Chirurgen basierend auf der anatomischen Situation des lokalen Knochens bestimmt werden sollte und nicht durch die Einschränkungen des prothetischen Designs eines Implantatmakrodesigns. Darüber hinaus, im Hinblick auf eine langfristige Erhaltung des ästhetischen Ergebnisses, bietet ein Implantat auf Knochenniveau den Vorteil, dass es immer eine zusätzliche Möglichkeit für die prothetische Versorgung gibt, zum Beispiel mit einem einteiligen Zirkondioxidabutment, sollte sich nach mehreren Jahren eine Weichgeweberezession gebildet haben.
Hilft das auch bei Sofortversorgungen?
HOLST: Aus chirurgischer Sicht ist das einfach – die On1-Basis wird anstelle eines Gingivaformers eingesetzt. Da die Basis nicht mehr entfernt wird, wird die Gewebeheilung – die mukosale Integration – nicht gestört. Da die Preisgestaltung der von Gingivaformern sehr ähnlich ist, glauben wir, dass dies eine hochinteressante Lösung mit signifikanten klinischen Vorteilen ist.
Und die Vorteile aus prothetischer Sicht?
HOLST: Mit dem On1-Konzept wird die prothetische Plattform leicht unterhalb des Gewebeniveaus gesetzt, wodurch das prothetische Vorgehen erleichtert wird. Auf diesem Niveau zu arbeiten bedeutet bessere Visibilität, einen besseren Zugang und ein geringeres Risiko überschüssigen Zements, wenn eine zementierte Versorgung gewählt wird.
Das leistet auch ein Implantat, das auf Weichgewebsniveau gesetzt wird …
HOLST: Wie zuvor schon gesagt, Implantate auf Weichgewebsniveau bieten aus biologischer Sicht Vorteile, gleichzeitig aber nur wenig prothetische Flexibilität. Wenn es zum Beispiel Probleme mit dem Weichgewebe gibt und die Implantatschulter sichtbar ist, gibt es keine Lösung für die Wiederherstellung einer ästhetischen Restauration. Das On1-Konzept bietet größere Vielseitigkeit, da die On1-Basis in zwei Höhen erhältlich ist und, falls erforderlich, durch ein herkömmliches einteiliges Zirkondioxidabutment ersetzt werden kann. Darüber hinaus umfasst das On1-Konzept Platform Switching, wodurch sich ein Ring aus Bindegewebe um das Implantat herum bilden kann. Dies unterstützt und stabilisiert das Weichgewebe. Auch sollte die Bedeutung der Verwendung prothetischer Originalkomponenten für die Implantatversorgung hervorgehoben werden. Viele Behandler entscheiden sich für eine Lösung, die nicht speziell für die Verbindung entwickelt wurde, und stoßen letztlich auf Probleme, sogar Implantatversagen. Das On1-Konzept bietet Behandlern auch in dieser Hinsicht Sicherheit, da nur präzisionsgefertigte Nobel Biocare Komponenten mit der On1-Basis verwendet werden können.
Die On1-Basis steht also für „one abutment, one time“, zusätzliches Weichgewebe und eine einfachere prothetische Versorgung von Implantaten mit konischer Innenverbindung?
HOLST: Ganz genau. Die On1-Basis ist präzisionsgefertigt und sie ist für Nobel Biocare Implantate mit konischer Innenverbindung hergestellt. Das On1 Konzept ist ebenfalls auf kürzere Behandlungszeiten ausgerichtet. Zum Beispiel ermöglicht die On1-IOS-Heilkappe einen intraoralen Scan, wodurch auf ein herkömmliches Abformungsverfahren verzichtet werden kann und die endgültige Krone nach zwei Besuchen fertiggestellt ist, wenn sich der Behandler dafür entscheidet. Ob eine verschraubte oder zementierte Versorgung vorzuziehen ist, entscheidet der Prothetiker. Falls Zement verwendet wird, ist die Entfernung von Zementüberschüssen einfacher, da die Versorgungsplattform auf Gewebeniveau liegt.
Bleiben wir beim Periimplantitisrisiko: Die Studienlage ist nach wie vor verwirrend. Anfangs hieß es, zwei oder drei Prozent der gesetzten Implantate seien betroffen, dann sollten es acht bis zehn Prozent sein, schließlich 20 Prozent. Eine Publikation spricht sogar von einem 53-prozentigen Risiko. Wann wird es hier Klarheit geben?
HOLST: Ich hoffe bald. Es gibt derzeit viele verschiedene Definitionen von Periimplantitis und einige sind schwer nachzuvollziehen. Die derzeit stattfindenden kritischen wissenschaftlichen Diskussionen sind sehr wichtig, um das Thema wieder auf eine angemessene Verständnisebene zu bringen. Der zuvor erwähnte, von Prof. Albrektsson und Kollegen im letzten Jahr veröffentlichte Konsensusbericht ist in dieser Hinsicht extrem hilfreich, da er die Bedeutung weiterer Forschungsaktivitäten unterstreicht, um die Ätiologie zu verstehen und die Diskussion nicht auf einen einzelnen Faktor wie zum Beispiel Oberfläche zu reduzieren. Lassen Sie uns niemals vergessen, periimplantäre Erkrankungen haben multifaktorielle Ursachen.
Wie viele reale Periimplantitisfälle gibt es nach Ihrer Einschätzung denn?
HOLST: Albrektsson und Kollegen stellten fest, dass nur ein bis zwei Prozent der Implantate einen progressiven, für das Implantat bedrohlichen Knochenverlust aufweisen, und ich würde dem zustimmen, dass solche Fälle extrem selten sind und es daher auf der Basis der vorliegenden wissenschaftlichen Daten und der Menge der offenen bzw. noch nicht beantworteten Fragen nicht möglich ist, einen Wert festzulegen. Nicht jede Knochenresorption ist ein Indikator für Periimplantitis. Ein gewisser Grad an marginalem Knochenverlust stellt eine natürliche Fremdkörperreaktion auf die Implantatinsertion dar. Ich erwarte jedoch eine Steigerung in diesem Bereich aufgrund der hohen Zahl unterschiedlicher Implantatsysteme ohne wissenschaftliche Daten zur klinischen Performance und vor allem der nicht kongruenten prothetischen Versorgungen. Das ist für mich die deutlich größere Unsicherheit.
Die typische Prof.-Tomas-Albrektsson-These …
HOLST: Korrekt, und mittlerweile auch die Meinung zahlreicher Wissenschaftler. Die Diskussion wurde angestoßen und auf die richtige Ebene gebracht. Das ist wichtig, nicht nur für unseren Beruf, sondern auch für das Wohl der Patienten. Denn welche Krankenkasse würde schon die Behandlung übernehmen, wenn das Periimplantitisrisiko so hoch wäre, wie manche Wissenschaftler behaupten.
Harmloser Knochenverlust?
- Gemäß einigen weitverbreiteten, jedoch wissenschaftlich nicht belegten Daten kann Periimplantitis als periimplantärer Knochenverlust von 1 mm innerhalb des ersten Jahres nach der ersten Behandlung charakterisiert werden. Da ein gewisser postoperativer Knochenverlust während der anfänglichen Knochenremodellierung selbst in den langfristig erfolgreichsten Fällen unvermeidbar ist, führen solche Definitionen naturgemäß zu Kontroversen.
- Die Häufigkeit von Periimplantitis wird in der Literatur stark übertrieben dargestellt. Knochenverlust, der sich im ersten Jahr zeigt, ist definitiv nicht Periimplantitis. Dieser Knochenverlust ist insoweit harmlos, als er für das Implantat keine Gefahr bedeutet.
- Dann gibt es die Erkrankung Periimplantitis, bei der es sich, wenn kontrollierte Implantate von fachgerecht geschulten Personen gesetzt werden, um eine seltene, aber durchaus in einigem Umfang auftretende Erkrankung handelt. Bei ein bis zwei Prozent moderner kontrollierter Implantate, die nach zehn Jahren oder mehr Nachuntersuchungszeit deutliche Zeichen einer Erkrankung aufweisen, ist das nicht zu ignorieren. Aber eine Übertreibung der Zahlen hilft auch nicht weiter. Es gibt 13 verschiedene Definitionen für Periimplantitis. Auf die meisten lässt sich verzichten.
- Aus Sicht des Behandlers sollte jede Art des marginalen Knochenverlusts ernst genommen werden – selbst wenn die große Mehrheit an Implantaten, die etwas Knochenverlust aufweisen, nie Periimplantitis entwickeln wird. Das Problem ist, dass wir nicht wissen, welche es sind. Beispielsweise sind Zementrückstände im Weichgewebe ein Grund für Probleme mit Knochenverlust. Wenn diese früh genug entfernt werden, wird der Knochenverlust gestoppt. Das Implantat kann danach völlig problemlos langfristig funktionieren. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass, wenn Zementrückstände zehn, 15 oder 20 Jahre im Gewebe verbleiben, sich eine Periimplantitis an diesem Implantat entwickeln kann.
- Ein Behandler sollte immer agieren, wenn marginaler Knochenverlust sichtbar ist bzw. erste Anzeichen in Form von Mukositis auftreten. Mukositis ist der erste Hinweis auf eine immunologische Reaktion; es hat mit nichts A dass es immer eine zusätzliche Möglichkeit für die prothetische Versorgung gibt Anderem etwas zu tun als mit Immunologie.
- Viele der zitierten Zahlen, ob aus der kürzlich erschienenen schwedischen Veröffentlichung oder aus anderen Publikationen, sind extrem unrealistisch. Sie verwenden die großzügigsten Definitionen, die sie finden können, für das, was sie als Erkrankung bezeichnen, obwohl dies in Wirklichkeit gar keine ist.
- Behandler müssen ein Implantatsystem wählen, dessen eigene Dokumentation in einem Peer-reviewed-Journal veröffentlicht ist. Der Kauf eines nicht dokumentierten Implantats kann sehr teuer werden.
Quelle: Albrektsson/Holst

von links nach rechts:
Prof. Dr. Stefan Holst ist seit 2013 bei Nobel Biocare, bis 2015 war er Globaler Leiter Forschung, Wissenschaft und regulatorische Angelegenheiten, seit 2016 ist er Vice President Implantatsysteme und Forschung.
Dr. Kenji Higuchi entwickelte das Trefoil-Konzept, eine kostengünstige festverschraubte Versorgung für zahnlose Unterkiefer.
Prof. Dr. Tomas Albrektsson, Göteborg, und Kollegen stellten fest, nur ein bis zwei Prozent der Implantate weisen einen progressiven, für das Implantat bedrohlichen Knochenverlust auf.
Prof. Dr. Paulo Malo, Lissabon, Erfinder des All-on-4-Konzepts.
Quelle: DENTAL MAGAZIN 6/2017, S. 36-43
online: http://pi.dental-online-channel.com/implantologie/trefoil-system-patienten-im-fokus/