Das neue Zygoma-Implantat zur Versorgung atropher Oberkiefer
22. September 2017
Dr. Bernd Quantius, M.Sc., Dr. Ana Ferro, Prof. Dr. Paulo Maló
Das MALO CLINIC Protokoll ist eine Vorgehensweise zur Sofortversorgung zahnloser Patienten mit festsitzendem implantatgetragenem Zahnersatz. Zur Versorgung hochatropher Oberkiefer wurden die ursprünglich von Prof. Brånemark entwickelten Zygoma-Implantate weiterentwickelt, um bessere Voraussetzungen zur Herstellung von festsitzendem Zahnersatz auch unter diesen Bedingungen zu schaffen.
Entwicklung der Zygoma-Implantate
Zygoma-Implantate wurden im Jahre 1988 durch Prof. P.I. Brånemark eingeführt. Die ursprüngliche Zielsetzung war, bei Patienten mit einem teilweisen oder kompletten Verlust der knöchernen Maxilla durch vorangegangene Tumoroperation oder durch Gesichtsverletzungen eine Voraussetzung zur prothetischen Rehabilitation zu schaffen. Gleichzeitig sollte dadurch ein umfangreicher Knochenaufbau vermieden und die Dauer der Behandlung verringert bzw. die Anzahl der notwendigen Operation minimiert werden. Bei der von Brånemark 2004 publizierten Technik verläuft das Implantat von der palatinalen Seite des Kieferkammes durch die Kieferhöhle in das Jochbein. (1) Neben möglichen Irritationen im Bereich der Kieferhöhle führt diese Vorgehensweise dazu, dass die Implantatschulter sehr weit nach Palatinal zu liegen kommt und als Verankerung für einen festsitzenden Zahnersatz aus hygienischen Gründen nicht gut geeignet ist. Typischerweise wurden diese Implantate mit Stegen verbunden und mit einer stegverankerten, herausnehmbaren Prothese versorgt. Bereits im Jahr 2000 modifizierte Stella diese Technik. (2) Er öffnete ein Fenster in der lateralen Wand der Kieferhöhle, die Schneider’sche Membran konnte erhalten und die Implantate im Bereich der lateralen Wand der Kieferhöhle positioniert werden. Gleichzeitig gelangte die Implantatschulter weiter nach Bukkal, was eine bessere Positionierung über dem Kieferkamm und somit erhöhte Hygienefähigkeit zufolge hat. Inzwischen sind verschiedene Studien über die Implantatüberlebensraten von Zygoma-Implantaten publiziert worden. (3–10) Aparicio veröffentlichte 2014 eine Studie mit Nachkontrollen von bis zu zehn Jahren und einer Implantatüberlebensrate von 95 Prozent. (6) Im Zuge der Weiterentwicklung der Technik wurden Zygoma-Implantate nicht nur zur Rehabilitation von Tumorpatienten, sondern auch vermehrt zur Versorgung von Patienten mit hochatrophem Oberkiefer als Voraussetzung für eine festsitzende prothetische Versorgung inseriert. Da mit zunehmender Atrophie der Maxilla diese nicht nur in der Höhe, sondern von bukkal nach palatinal atrophiert, muss bei prothetisch korrekter Positionierung der Implantatschulter das Implantat immer weiter außerhalb der Kieferhöhle und des Kieferknochens, also extramaxillär, inseriert werden. Dies führt bei Verwendung der herkömmlichen Zygoma-Implantate zu einer bukkalen Irritation der Gingiva, da die dann freiliegenden Gewindegänge direkt unterhalb der Schleimhaut zu liegen kommen, wenn man in diesem Bereich keine Augmentation durchführt.
Sehen Sie sich auch das Video von einer Live-OP mit Professor Paulo Malo im Rahmen der Fortbildung am 3.9.2016 in der Praxis von Dr. Bernd Quantius an. Bei dieser OP wurde All-on-4 mithilfe von NobelZygoma umgesetzt.
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Das neue Zygoma-Implantat
Aus diesem Grund wurde von Prof. Paulo Maló und dem MALO CLINIC-Team das neue Zygoma-Implantat entwickelt und die Protokolle der Versorgung hochatropher Oberkiefer entsprechend modifiziert. (5) Das Design des neuen Zygoma-Implantates (Abb. 1) unterscheidet sich in folgenden Punkten vom herkömmlichen Zygoma-Implantat (Abb. 2):
- Der Bereich mit den Gewindegängen erstreckt sich lediglich auf den apikalen Bereich des Implantates – der Durchmesser beträgt im diesem Bereich 5 mm.
- Die Spitze des Implantates entspricht vom Design dem eines NobelSpeedy-Implantates mit 5 mm Durchmesser.
- Im Bereich der Schulter entspricht das Implantat einem NobelSpeedy-Implantat mit RP-Plattform und External Connection.
Das Protokoll zur extramaxillären Insertion dieser Implantate orientiert sich ander Zielsetzung, diese Implantate später mit einer festsitzenden implantatgetragenen Brücke nach dem Malo-Clinic-Protokoll zu versorgen.
Vorgehensweise
- Schnittführung im Bereich 16 bis 26, etwas palatinal von der Kieferkammmitte
- Präparation des Mukoperiostlappens mit Darstellung des N. infraorbitalis sowie des Os zygomaticums
- Präparation eines Knochenkanals zur Aufnahme des Zygoma-Implantates (Abb. 3)
- Mobilisation der Schneider’schen Membran
- Präparation des Implantatlagers unter Berücksichtigung des für die neuen Zygoma-Implantate modifizierten Bohrprotokolls mit Perforation der lateralen Corticalis des Os zygomaticus
- Messung des Implantatlagers und Implantatauswahl mit den zur Verfügung stehenden Messlehren: Für die korrekte Positionierung liegt die Implantatschulter innerhalb des Kieferknochens.
- Insertion des Implantates (Abb. 4): Dabei muss vorsichtig vorgegangen werden, ansonsten kann es zu hohen Einbringdrehmomenten und Problemen im Bereich des Implantatlagers bzw. der Implantatschulter kommen.
- Ausrichtung und Verbindung des 45°-Multi-Unit-Abutments (Abb. 5)
Die Abdrucknahme bzw. die weiteren prothetischen Schritte gestalten sich ab dem Multi-Unit-Niveau identisch wie bei einer Standard-All-on-4® -Versorgung.
Fallbeispiel
Die im Folgenden beschriebene Patientin stellte sich mit dem Wunsch auf eine festsitzende Versorgung im Ober- und Unterkiefer vor. Während der über zehnjährigen Tragedauer einer Totalprothese im Oberkiefer fand eine fortgeschrittene Atrophie des Kieferkammes statt, sodass die Patientin sowohl ästhetisch als auch funktionell nur mangelhaft versorgt war (Abb. 6). Die Bisshöhe war soweit abgesunken, dass auch bei maximalem Lachen fast keine Zähne im Oberkiefer sichtbar waren. Die OPG- bzw. CT-Aufnahme zeigt die geringe Restknochenhöhe (Abb. 7 und 8). Die genauere Diagnostik zeigte eine Restknochenhöhe Regio 12–22 von 7–8,5 mm, sodass eine Hybrid-Zygoma-Versorgung geplant wurde. Nachdem der Unterkiefer bereits nach dem Standardprotokoll versorgt worden war, wurden zwei Zygoma-Implantate Regio 15 und 25 sowie zwei NobelSpeedy-Implantate Regio 12 und 22 inseriert. Abbildung 7 zeigt die Situation nach Insertion aller Implantate. Durch das Design der Zygoma-Implantate und die dadurch ermöglichte extramaxilläre Positionierung konnten auch bei dieser hochatrophen Situation die Implantate so positioniert werden, dass eine hygienefähige, festsitzende Versorgung auf diesen Implantaten möglich war (Abb. 9). Abbildung 10 zeigt das OPG nach der Insertion der Implantate. Nach der Eingliederung der Sofortversorgung erfolgt eine Ok klusionskontrolle. Im Gegensatz zum Standardprotokoll wird darauf Wert gelegt, dass die Okklusalkontakte im Frontbereich schwächer ausgeprägt sind als im Seitenzahngebiet, um die Belastung der (kurzen) Implantate im Frontbereich nicht zu hoch werden zu lassen und eine ungestörte Osseointegration sicherzustellen. Die weitere prothetische Vorgehensweise entspricht dem Standardprotokoll. In einem Zeitraum zwischen sechs und 24 Monaten nach der Insertion erfolgt gemäß der 2. Phase des MALO CLINIC-Protokolls die Herstellung einer zweiten Versorgung. In diesem Fall wurde eine Brücke mit zwölf Zähnen und einem CAD/CAM-hergestellten Titangerüst sowie aufgestellten Kunststoffzähnen hergestellt. In Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der Versorgung ist ein regelmäßiges Recall erforderlich. Hierbei wird die Versorgung abgeschraubt, professionell gereinigt und die Implantate hinsichtlich Blutung und Taschentiefen überprüft. Im Gegensatz zu einer Versorgung nach dem Standardprotokoll ohne Zygoma-Implantate ist hierbei der Einsatz einer Munddusche bei den Zygoma-Implantaten zu vermeiden. Dadurch, dass die Zygoma-Implantate nach der extramaxillären Technik bukkal nicht vom Knochen bedeckt sind, besteht sonst die Gefahr, dass Wasser entlang der Implantate bis unter die Wangenschleimhaut gepresst wird.
Fazit
Die neu entwickelten Zygoma-Implantate wurden für die extramaxilläre Versorgung eines unbezahnten Patienten im Rahmen des MALO CLINIC-Protokolls entwickelt. Die Implantatoberfläche weißt nur im apikalen Bereich Gewindegänge auf. Dadurch ist es möglich, den anderen Teil extramaxillär und direkt unterhalb der Gingiva zu positionieren. Dies wiederum ist die Grundlage für eine möglichst weit bukkale Positionierung der Implantatschulter und eine hygienefähige festsitzende Versorgung bei einem hochatrophen Oberkiefer.
Spezifische Merkmale des neuen Zygoma-Implantats:
- Durchmesser: 5 mm
- Winkelung der Implantatschulter: 0°
- External Connection
- TiUnite®-Oberfläche
- keine Gewindegänge im coronalen Drittel des Implantats
- schmale Spitze mit Gewindegängen bis zum Apex
Quelle: Implantologie Journal 6-2016, oemus Verlag